Herzratenvariabilität – Was sagt sie über unsere Gesundheit aus?
Die HRV ist eine hochsensible Messgröße, die Einblicke in die körperliche und psychische Gesundheit gewährt.
Sergey Pesterev
Wenn es um unsere Gesundheit geht, ist es heute recht einfach, alle möglichen Informationen zu messen und zu verfolgen. Wir können bequem von zu Hause aus unser Gewicht, unseren Blutdruck, die Anzahl der Schritte, den Kalorienverbrauch, die Herzfrequenz und den Blutzucker messen. Forscher haben inzwischen einen weiteren Datenpunkt, die Herzfrequenzvariabilität (HRV), als möglichen Marker für Belastbarkeit und Verhaltensflexibilität erforscht.
Was ist HRV?
Als Herzratenvariabilität (englisch: heart rate variability, HRV) oder Herzfrequenzvariabilität (kurz HFV) wird das Maß für die zeitliche Variation zwischen den einzelnen Herzschlägen bezeichnet. Diese Schwankungen werden von dem autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert, das unsere Herzfrequenz, den Blutdruck, die Atmung, die Verdauung und andere wichtige Aufgaben reguliert. Das ANS ist in zwei große Komponenten unterteilt: dem Sympathikus, der den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung („fight or flight“) einstellt, und dem Parasympathikus, der die Funktionen der Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“) steuert.
Das Gehirn verarbeitet ständig Informationen in einer Region namens Hypothalamus. Das ANS liefert Signale an den Hypothalamus, der dann den Rest des Körpers anweist, verschiedene Funktionen entweder zu stimulieren oder zu entspannen. Das ANS reagiert nicht nur auf eine schlecht geschlafene Nacht oder eine unangenehme Begegnung mit dem Chef, sondern auch auf eine erfreuliche Nachricht oder auf das wohlschmeckende, gesunde Essen, das zu Mittag auf dem Teller war. Unser Körper verarbeitet alle Arten von Reizen und das Leben geht weiter. Wenn wir jedoch anhaltende Auslöser wie Stress, Schlafmangel, ungesunde Ernährung, gestörte Beziehungen, Isolation oder Einsamkeit und Bewegungsmangel haben, kann dieses Gleichgewicht gestört werden und unsere „fight or flight“ oder Kampf-oder-Flucht-Reaktion kann in den Overdrive gehen.
Überprüfung der Herzratenvariabilität
Der Goldstandard ist die Analyse eines Elektrokardiogramms, das in der Arztpraxis erstellt wird. Doch in den letzten Jahren haben Unternehmen Apps und tragbare Herzfrequenzmessgeräte auf den Markt gebracht, die etwas Ähnliches leisten. Die Genauigkeit dieser Methoden wird zwar noch geprüft, aber die Technologie der Geräte wird immer besser. Wer einen Versuch wagen will, sollte eher zu Brustgurtgeräten greifen, da diese in der Regel genauere Messungen der HRV liefern als Geräte für das Handgelenk.
Die HRV kann eine nichtinvasive Methode sein, um Ungleichgewichte im autonomen Nervensystem zu erkennen. Alter, Geschlecht, Atmung und Trainingszustand spielen eine Rolle, aber grundsätzlich gilt, je höher der Unterschied zwischen den Abständen der Herzschläge, desto besser. D.h. das System befindet sich dann in einem entspannten Zustand. Ist die Variation zwischen aufeinander folgenden Herzschlägen allerdings tendenziell geringer, befindet sich das System eher in einem Kampf-oder-Flucht-Modus.
Dies legt einige interessante Möglichkeiten nahe. Menschen mit einer hohen HRV haben möglicherweise eine bessere kardiovaskuläre Fitness und sind widerstandsfähiger gegen Stress. Allzu generell kann das aber auch nicht gesagt werden, denn die HRV nimmt mit zunehmendem Alter stark ab. 20- bis 25-Jährigen haben normalerweise eine durchschnittliche HRV im Bereich von 55 bis 105, während 60- bis 65-Jährigen in der Regel Werte zwischen 25 und 45 haben.
Trotzdem kann die HRV ein persönliches Feedback zum Lebensstil geben und dahingehend motivieren, Schritte zu einem gesünderen Leben in Erwägung zu ziehen. Mehr Achtsamkeit, Meditation, guter Schlaf und vor allem körperliche Aktivität in das tägliche Leben zu integrieren wird sich in der HRV-Veränderung zeigen. Für diejenigen, die Daten und Zahlen lieben, könnte das eine interessante Möglichkeit sein, die Reaktionen des Nervensystem nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf Emotionen, Gedanken und Gefühle mitzuverfolgen.
Schlussfolgerung
Es gibt Fragen zur Genauigkeit, Zuverlässigkeit und zum allgemeinen Nutzen der HRV-Messung. Die HRV wurde zwar mit der allgemeinen körperlichen Fitness in Verbindung gebracht, aber die Korrelation zwischen Veränderungen der HRV und der Funktionsweise des autonomen Nervensystems muss noch weiter erforscht werden. Wer jedoch die HRV als eine weitere Möglichkeit nutzen möchte, seine Gesundheitsdaten zu bestimmen, sollten nicht zu beruhigt über eine hohe HRV oder zu besorgt über eine niedrige HRV sein. Vielmehr kann die HRV als ein möglicher Parameter gesehen werden, wie unser Körper und unser Geist auf unsere täglichen Erfahrungen reagieren.
Referenzen
- Kristal-Boneh, Estela, Paul Froom, Gil Harari, Marek Malik, and Joseph Ribak. “Summer-winter differences in 24 h variability of heart rate.” Journal of cardiovascular risk 7, no. 2 (2000): 141-146.
- „Nutzung der Herzschlagfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität in der Arbeits- medizin und der Arbeitswissenschaft“. awmf.org, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/002-042l_S2k_Nutzung-Herzschlagfrequenz-Herzfrequenzvariabilitaet-Arbeitsmedizin-Arbeitswissenschaft_2022-03_1.pdf.
Publiziert
1.7.2024
Kategorie
Health
Experte
Wenn es um unsere Gesundheit geht, ist es heute recht einfach, alle möglichen Informationen zu messen und zu verfolgen. Wir können bequem von zu Hause aus unser Gewicht, unseren Blutdruck, die Anzahl der Schritte, den Kalorienverbrauch, die Herzfrequenz und den Blutzucker messen. Forscher haben inzwischen einen weiteren Datenpunkt, die Herzfrequenzvariabilität (HRV), als möglichen Marker für Belastbarkeit und Verhaltensflexibilität erforscht.
Was ist HRV?
Als Herzratenvariabilität (englisch: heart rate variability, HRV) oder Herzfrequenzvariabilität (kurz HFV) wird das Maß für die zeitliche Variation zwischen den einzelnen Herzschlägen bezeichnet. Diese Schwankungen werden von dem autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert, das unsere Herzfrequenz, den Blutdruck, die Atmung, die Verdauung und andere wichtige Aufgaben reguliert. Das ANS ist in zwei große Komponenten unterteilt: dem Sympathikus, der den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung („fight or flight“) einstellt, und dem Parasympathikus, der die Funktionen der Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“) steuert.
Das Gehirn verarbeitet ständig Informationen in einer Region namens Hypothalamus. Das ANS liefert Signale an den Hypothalamus, der dann den Rest des Körpers anweist, verschiedene Funktionen entweder zu stimulieren oder zu entspannen. Das ANS reagiert nicht nur auf eine schlecht geschlafene Nacht oder eine unangenehme Begegnung mit dem Chef, sondern auch auf eine erfreuliche Nachricht oder auf das wohlschmeckende, gesunde Essen, das zu Mittag auf dem Teller war. Unser Körper verarbeitet alle Arten von Reizen und das Leben geht weiter. Wenn wir jedoch anhaltende Auslöser wie Stress, Schlafmangel, ungesunde Ernährung, gestörte Beziehungen, Isolation oder Einsamkeit und Bewegungsmangel haben, kann dieses Gleichgewicht gestört werden und unsere „fight or flight“ oder Kampf-oder-Flucht-Reaktion kann in den Overdrive gehen.
Überprüfung der Herzratenvariabilität
Der Goldstandard ist die Analyse eines Elektrokardiogramms, das in der Arztpraxis erstellt wird. Doch in den letzten Jahren haben Unternehmen Apps und tragbare Herzfrequenzmessgeräte auf den Markt gebracht, die etwas Ähnliches leisten. Die Genauigkeit dieser Methoden wird zwar noch geprüft, aber die Technologie der Geräte wird immer besser. Wer einen Versuch wagen will, sollte eher zu Brustgurtgeräten greifen, da diese in der Regel genauere Messungen der HRV liefern als Geräte für das Handgelenk.
Die HRV kann eine nichtinvasive Methode sein, um Ungleichgewichte im autonomen Nervensystem zu erkennen. Alter, Geschlecht, Atmung und Trainingszustand spielen eine Rolle, aber grundsätzlich gilt, je höher der Unterschied zwischen den Abständen der Herzschläge, desto besser. D.h. das System befindet sich dann in einem entspannten Zustand. Ist die Variation zwischen aufeinander folgenden Herzschlägen allerdings tendenziell geringer, befindet sich das System eher in einem Kampf-oder-Flucht-Modus.
Dies legt einige interessante Möglichkeiten nahe. Menschen mit einer hohen HRV haben möglicherweise eine bessere kardiovaskuläre Fitness und sind widerstandsfähiger gegen Stress. Allzu generell kann das aber auch nicht gesagt werden, denn die HRV nimmt mit zunehmendem Alter stark ab. 20- bis 25-Jährigen haben normalerweise eine durchschnittliche HRV im Bereich von 55 bis 105, während 60- bis 65-Jährigen in der Regel Werte zwischen 25 und 45 haben.
Trotzdem kann die HRV ein persönliches Feedback zum Lebensstil geben und dahingehend motivieren, Schritte zu einem gesünderen Leben in Erwägung zu ziehen. Mehr Achtsamkeit, Meditation, guter Schlaf und vor allem körperliche Aktivität in das tägliche Leben zu integrieren wird sich in der HRV-Veränderung zeigen. Für diejenigen, die Daten und Zahlen lieben, könnte das eine interessante Möglichkeit sein, die Reaktionen des Nervensystem nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf Emotionen, Gedanken und Gefühle mitzuverfolgen.
Schlussfolgerung
Es gibt Fragen zur Genauigkeit, Zuverlässigkeit und zum allgemeinen Nutzen der HRV-Messung. Die HRV wurde zwar mit der allgemeinen körperlichen Fitness in Verbindung gebracht, aber die Korrelation zwischen Veränderungen der HRV und der Funktionsweise des autonomen Nervensystems muss noch weiter erforscht werden. Wer jedoch die HRV als eine weitere Möglichkeit nutzen möchte, seine Gesundheitsdaten zu bestimmen, sollten nicht zu beruhigt über eine hohe HRV oder zu besorgt über eine niedrige HRV sein. Vielmehr kann die HRV als ein möglicher Parameter gesehen werden, wie unser Körper und unser Geist auf unsere täglichen Erfahrungen reagieren.
Experte
Referenzen
- Kristal-Boneh, Estela, Paul Froom, Gil Harari, Marek Malik, and Joseph Ribak. “Summer-winter differences in 24 h variability of heart rate.” Journal of cardiovascular risk 7, no. 2 (2000): 141-146.
- „Nutzung der Herzschlagfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität in der Arbeits- medizin und der Arbeitswissenschaft“. awmf.org, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/002-042l_S2k_Nutzung-Herzschlagfrequenz-Herzfrequenzvariabilitaet-Arbeitsmedizin-Arbeitswissenschaft_2022-03_1.pdf.