Longevity
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19.4.2022

Können wir das Altern steuern oder sogar verzögern?

In der Altersforschung sind sich Wissenschaftler und Ärzte mehr als uneinig in der Schlüsselfrage: Was ist Altern und warum passiert es?

Eine weiße Blume wo eine Hälfte lebend und die andere tot ist

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Die Ursache des Alterns liegt in der Schwerarbeit, die unser Körper über Jahrzehnte hinweg leisten muss, um die komplexen Funktionen des Lebens aufrechtzuerhalten. Von der Energieversorgung der Zellen und Organe, über den Transport von Nährstoffen und Abbauprodukten von einem Körperende zum anderen, bis hin zur Regulation von Zellwachstum und schließlich dem Zelltod. Aber was genau passiert bei diesen Mechanismen, und können wir mit gezielten Engriffen diese Prozesse steuern und so das Altern verzögern oder gar umkehren?

Sehr gut erforscht ist bisher, dass Schäden am genetischen Material, an Zellen und Geweben, die sich mit dem Alter anhäufen und vom Körper nicht mehr repariert werden können, die Ursache für den Alterungsprozess sind. Dazu gibt es zwei Theorien: Die Programm-Theorie, bei der angenommen wird, dass das Altern ein vorbestimmter, von Genen gesteuerter Prozess ist. Bei der Verschleiß-Theorie geht man davon aus, dass die Akkumulation von Schäden an der DNA, sowie die Auswirkungen von freien Radikalen oder reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und dem Versagen in der Zellsignalisierung für das Altern verantwortlich sind.

Das bedeutet einerseits, dass der Alterungsprozess vorprogrammiert ist und sich das natürliche Ableben nicht beliebig hinauszögern lässt. Andererseits deuten neueste Forschungsergebnisse darauf hin, dass Gene gewissermaßen ein- und ausgeschaltet werden können, um so den Alterungsprozess zu verlangsamen, aufzuhalten oder gar zurückzusetzen.

Einigkeit herrscht darüber, dass das Altern ein komplexer Prozess ist, der von einem Zusammenspiel lebenslanger Einflüsse wie Umwelt, Ernährung, Bewegung, Vererbung, Verschleiß und anderen Faktoren bestimmt ist.

Es ist auch anerkannt, dass es mehrere Mechanismen im Zusammenhang mit dem Altern gibt, wobei der bemerkenswerteste der Nährstoffsensorweg ist, bekannt als Insulin / IGF-1. Studien an Mäusen zeigen zum Beispiel, dass Mutationen, die IGF-1 stören und dazu führen, dass das Wachstumshormon fehlreguliert wird, die Langlebigkeit beeinflussen.

Die Ergebnisse der Kalorienrestriktion bestätigen, dass die Langlebigkeit durch die Regulation von Nährstoffsensorwegen und Genen erhöht wird, wenn ein Organismus oder ein Mensch einem kalorienreduzierten Regime ausgesetzt ist, d. h. weniger als die empfohlenen täglichen Kalorien zu sich nimmt. Aber Kalorienreduktion hat nur einen marginalen Einfluss auf die menschliche Langlebigkeit, daher muss die Wissenschaft untersuchen, wie diese Mechanismen zusammen mit einigen anderen funktionieren, und bestimmen, wie (wenn überhaupt) sie beeinflusst werden können.

Die Kennzeichen des Alterns

Allgemein haben sich unter Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Alterns neun Kennzeichen im Zusammenhang mit dem Alterungsprozess etabliert, wobei die meisten miteinander verbunden sind.

1.  Genomische Instabilität

Jede Körperzelle verfügt über eine Anleitung, die für die Ausführung ihrer individuellen Funktionen nötig ist. Dieser Bauplan ist unsere DNA, das wiederum aus DNA-Bausteinen besteht, die das Genom bilden. Das korrekte Funktionieren jeder Zelle ist Voraussetzung für einwandfreie Körperfunktionen. Das Genom ist jedoch ständig internen und externen Angriffen ausgesetzt. Schäden in der DNA können durch äußere Einflüsse wie Luftverschmutzung, Sonnenstrahlung oder Chemikalien in der Umwelt verursacht werden, oder durch interne Reize wie freie Radikale, Krankheitserregern oder Chemikalien, die aufgenommen wurden. Geschätzt passiert das bis zu einer Million Mal pro Tag. Die meisten Zellen sind jedoch mit Mechanismen ausgestattet, die Schäden reparieren und die Zelle wieder aufbauen können. Bei diesem Reparaturprozess kann es aber vorkommen, dass ein Teil der Information verloren geht oder falsch kopiert wird, und es so zu Mutationen kommt. Diese häufen sich im Alter und können so Schäden ansammeln, die die Körpersysteme beeinträchtigen und zu Krankheiten führen.

2.  Telomerverschleiß

An den Enden jedes Chromosoms des menschlichen Genoms sind Telomere, die zur Aufrechterhaltung der genetischen Stabilität beitragen. Bei der jeder der 60 Zellteilungen geht jedoch ein Stück der Telomere verloren, sodass die Enden immer kürzer werden, je älter man wird. Wenn sie eine bestimmte Mindestlänge erreicht haben, sind sie teilungsunfähig und es tritt der Zelltod ein. Solche abgestorbenen Zellen können Entzündungen verursachen und altersbedingte Krankheiten auslösen. Lifestyle-Faktoren wie Ernährung und Bewegung und sogar Arzneimittel können einen positiven Einfluss auf diesen Prozess haben, und die Verkürzung verlangsamen und in einigen Fällen sogar umkehren.

3.  Epigenetische Veränderungen

Epigenetik ist eine sehr neue Wissenschaft der Genetik, die sich mit Genexpression, also der Aktivität des Gens beschäftigt. Dabei werden Epigenetische Informationen vermittelt, die DNA-Sequenzen verwehren oder freigeben, ohne die DNA selbst zu verändern. Unsere Gesundheit wird also nicht nur von den Genen selbst, sondern auch vom epigenetischen Code bestimmt. Welches Gen aktiviert wird, bestimmen neben Umwelteinflüssen und Essgewohnheiten auch weitere Aspekte der Lebensführung wie chronischer Stress aber auch Medikamente.

4.  Verlust von Proteostase

Gene bilden Proteine wie Enzyme oder Hormone, die im ganzen Körper verwendet werden, um biochemische Reaktionen zu regulieren oder Strukturgewebe wie Haare, Muskeln und Haut zu bilden. Proteine werden zu komplexen Formen gefaltet. Mit zunehmendem Alter werden ihre Formen verzerrt oder kollabieren, was ihre Fähigkeit, richtig zu arbeiten, beeinträchtigt. Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Katarakte sind mit beschädigten Proteinen verbunden.

5.  Gestörte Wahrnehmung von Nährstoffen

Nährstoffe sind überlebenswichtig. Der Körper ist fein darauf abgestimmt, um zu erkennen, wenn Nährstoffe knapp oder reichlich vorhanden sind. Physiologische Mechanismen reagieren auf Angebot und Nachfrage, um sicherzustellen, dass Zellen bekommen, was sie brauchen. Zellschäden können dieses System aus dem Gleichgewicht bringen und mit dem Auftreten von Entzündungen zusammenhängen, die dann das Fortschreiten altersbedingter Krankheiten beeinflussen können.

6.  Mitochondriale Fehlfunktion

Mitochondrien sind Bestandteile einer Zelle und deren Energieproduzent. Sie werden daher auch als die „Kraftwerde der Zelle“ bezeichnet. Freie Radikale, auch reaktive Sauerstoffspezies genannt, sind ein natürliches Nebenprodukt bei der Energiegewinnung in Zellen. Lange wurde angenommen, dass, wenn ihre Produktion zu stark zunimmt, sich die mitochondriale Funktion verschlechtert und so die Zelle schädigt. Seit einigen Jahren aber weiß man, dass freie Radikale eher als Signale wirken, um Mechanismen für das Überleben von Zellen einzuleiten. Ausdauertraining und intermittierendes Fasten sind zwei Verhaltensweisen, die helfen könnten, kranke Mitochondrien wiederzubeleben.

7.  Zelluläre Seneszenz

Zellen teilen sich, um einen Organismus wachsen zu lassen oder um alte Zellen in einem bestimmten Gewebe oder Organ zu ersetzen. Dieser Vorgang ist aber begrenzt, denn die große Mehrheit der Zellen kann sich nicht unendlich oft teilen. Sobald eine Zelle ihr sich teilendes Ende erreicht hat, tritt die seneszente Phase ein. Dies kann ausgelöst werden, wenn sich die Telomere verkürzen, sowie eine Reihe andere Ursachen, wie z.B. Schäden an der DNA. Bestenfalls werden sie von Immunzellen aus dem Körper entfernt. Aber wenn sie bleiben, können sie entzündliche Verbindungen absondern, die zum Altern beitragen.

8.  Erschöpfung der Stammzellen

Zellen replizieren sich und regenerieren sich daher während des gesamten Lebens. Dies ermöglicht den natürlichen Prozess der Reparatur beschädigter Zellen und der Regeneration von Gewebe. Die ultimative Quelle für neue Zellen sind Stammzellen. Aber gesunde Stammzellen können mit zunehmendem Alter abnehmen, und Körpersysteme und Gewebe können infolgedessen verkümmern.

9.  Veränderte intrazelluläre Kommunikation

Da Zellen eine Vernetzung und Kommunikationsfähigkeit aufweisen, stammen einige Veränderungen im Körper von inneren Reizen. Das Altern kann die Kommunikationswege behindern. Wenn Zellen seneszent oder entzündet werden, kann die Signalübertragung beeinträchtigt werden. Hormone wirken möglicherweise nicht so effektiv, und Immunzellen zeigen möglicherweise keine optimale Fähigkeit, mit Krankheitserregern umzugehen. Eine Verschlechterung der Funktion in einem Teil des Körpers kann dann das Risiko eines Zusammenbruchs in anderen Bereichen erhöhen.

Referenzen

Experte

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Wissenschaftliche Begriffe

Genom

Die gesamte DNA-Sequenz eines Organismus oder Virus. Das Genom ist im Wesentlichen ein riesiger Satz von Anweisungen für die Herstellung der einzelnen Teile einer Zelle und für die Steuerung des gesamten Ablaufs.

Genomik

Die Untersuchung des Genoms, der gesamten DNA eines bestimmten Organismus. Sie umfasst die DNA-Sequenz eines Genoms, die Organisation und Kontrolle der Gene, die Moleküle, die mit der DNA interagieren, und die Art und Weise, wie diese verschiedenen Komponenten das Wachstum und die Funktion von Zellen beeinflussen.

Epigenetik

von altgriechisch ἐπί epi 'dazu, außerdem' und -genetik

Bezieht sich auf Veränderungen der Genexpression einer Zelle, die keine Veränderung des DNA-Codes beinhalten. Stattdessen werden die DNA und die Histone, um die die DNA gewickelt ist, mit entfernbaren chemischen Signalen "markiert" (siehe Demethylierung und Deacetylierung). Epigenetische Markierungen teilen anderen Proteinen mit, wo und wann sie die DNA lesen sollen. Vergleichbar ist dies mit einem Post-it auf einer Buchseite, auf dem "Überspringen" steht. Ein Leser wird die Seite ignorieren, aber das Buch selbst wurde nicht verändert.

Epigenetische Uhr

Eine Art DNA-Uhr, die auf der Messung des natürlichen DNA-Methylierungsniveaus beruht, um das biologische Alter eines Gewebes, eines Zelltyps oder eines Organs zu schätzen, z. B. die Horvath-Uhr.

Mitochondrium

Die Mitochondrien werden oft als das Kraftwerk der Zelle bezeichnet und spalten Nährstoffe auf, um in einem Prozess namens Zellatmung Energie zu erzeugen. Sie enthalten ihr eigenes zirkuläres Genom.

Stammzelle

Stammzellen sind das Rohmaterial des Körpers - Zellen, aus denen alle anderen Zellen mit spezialisierten Funktionen hervorgehen. Unter den richtigen Bedingungen im Körper oder im Labor teilen sich die Stammzellen und bilden weitere Zellen, die sogenannten Tochterzellen.

Seneszens

lat. senescere ‚alt werden‘, ‚altern‘

Der Prozess der Verschlechterung mit dem Alter.

Zelluläre Seneszenz

Der Prozess, der eintritt, wenn normale Zellen aufhören, sich zu teilen, und anfangen, entzündliche Moleküle freizusetzen, manchmal verursacht durch Telomerverkürzung, DNA-Schäden oder epigenomisches Rauschen. Trotz ihres scheinbaren "Zombie"-Zustands bleiben seneszente Zellen lebendig und schädigen benachbarte Zellen mit ihren entzündlichen Sekreten.

Proteostase

Der Begriff der Proteostase umfasst verschiedene miteinander vernetzte Prozesse, die auf zellulärer Ebene die Proteinaktivität kontrollieren.

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Die Ursache des Alterns liegt in der Schwerarbeit, die unser Körper über Jahrzehnte hinweg leisten muss, um die komplexen Funktionen des Lebens aufrechtzuerhalten. Von der Energieversorgung der Zellen und Organe, über den Transport von Nährstoffen und Abbauprodukten von einem Körperende zum anderen, bis hin zur Regulation von Zellwachstum und schließlich dem Zelltod. Aber was genau passiert bei diesen Mechanismen, und können wir mit gezielten Engriffen diese Prozesse steuern und so das Altern verzögern oder gar umkehren?

Sehr gut erforscht ist bisher, dass Schäden am genetischen Material, an Zellen und Geweben, die sich mit dem Alter anhäufen und vom Körper nicht mehr repariert werden können, die Ursache für den Alterungsprozess sind. Dazu gibt es zwei Theorien: Die Programm-Theorie, bei der angenommen wird, dass das Altern ein vorbestimmter, von Genen gesteuerter Prozess ist. Bei der Verschleiß-Theorie geht man davon aus, dass die Akkumulation von Schäden an der DNA, sowie die Auswirkungen von freien Radikalen oder reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und dem Versagen in der Zellsignalisierung für das Altern verantwortlich sind.

Das bedeutet einerseits, dass der Alterungsprozess vorprogrammiert ist und sich das natürliche Ableben nicht beliebig hinauszögern lässt. Andererseits deuten neueste Forschungsergebnisse darauf hin, dass Gene gewissermaßen ein- und ausgeschaltet werden können, um so den Alterungsprozess zu verlangsamen, aufzuhalten oder gar zurückzusetzen.

Einigkeit herrscht darüber, dass das Altern ein komplexer Prozess ist, der von einem Zusammenspiel lebenslanger Einflüsse wie Umwelt, Ernährung, Bewegung, Vererbung, Verschleiß und anderen Faktoren bestimmt ist.

Es ist auch anerkannt, dass es mehrere Mechanismen im Zusammenhang mit dem Altern gibt, wobei der bemerkenswerteste der Nährstoffsensorweg ist, bekannt als Insulin / IGF-1. Studien an Mäusen zeigen zum Beispiel, dass Mutationen, die IGF-1 stören und dazu führen, dass das Wachstumshormon fehlreguliert wird, die Langlebigkeit beeinflussen.

Die Ergebnisse der Kalorienrestriktion bestätigen, dass die Langlebigkeit durch die Regulation von Nährstoffsensorwegen und Genen erhöht wird, wenn ein Organismus oder ein Mensch einem kalorienreduzierten Regime ausgesetzt ist, d. h. weniger als die empfohlenen täglichen Kalorien zu sich nimmt. Aber Kalorienreduktion hat nur einen marginalen Einfluss auf die menschliche Langlebigkeit, daher muss die Wissenschaft untersuchen, wie diese Mechanismen zusammen mit einigen anderen funktionieren, und bestimmen, wie (wenn überhaupt) sie beeinflusst werden können.

Die Kennzeichen des Alterns

Allgemein haben sich unter Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Alterns neun Kennzeichen im Zusammenhang mit dem Alterungsprozess etabliert, wobei die meisten miteinander verbunden sind.

1.  Genomische Instabilität

Jede Körperzelle verfügt über eine Anleitung, die für die Ausführung ihrer individuellen Funktionen nötig ist. Dieser Bauplan ist unsere DNA, das wiederum aus DNA-Bausteinen besteht, die das Genom bilden. Das korrekte Funktionieren jeder Zelle ist Voraussetzung für einwandfreie Körperfunktionen. Das Genom ist jedoch ständig internen und externen Angriffen ausgesetzt. Schäden in der DNA können durch äußere Einflüsse wie Luftverschmutzung, Sonnenstrahlung oder Chemikalien in der Umwelt verursacht werden, oder durch interne Reize wie freie Radikale, Krankheitserregern oder Chemikalien, die aufgenommen wurden. Geschätzt passiert das bis zu einer Million Mal pro Tag. Die meisten Zellen sind jedoch mit Mechanismen ausgestattet, die Schäden reparieren und die Zelle wieder aufbauen können. Bei diesem Reparaturprozess kann es aber vorkommen, dass ein Teil der Information verloren geht oder falsch kopiert wird, und es so zu Mutationen kommt. Diese häufen sich im Alter und können so Schäden ansammeln, die die Körpersysteme beeinträchtigen und zu Krankheiten führen.

2.  Telomerverschleiß

An den Enden jedes Chromosoms des menschlichen Genoms sind Telomere, die zur Aufrechterhaltung der genetischen Stabilität beitragen. Bei der jeder der 60 Zellteilungen geht jedoch ein Stück der Telomere verloren, sodass die Enden immer kürzer werden, je älter man wird. Wenn sie eine bestimmte Mindestlänge erreicht haben, sind sie teilungsunfähig und es tritt der Zelltod ein. Solche abgestorbenen Zellen können Entzündungen verursachen und altersbedingte Krankheiten auslösen. Lifestyle-Faktoren wie Ernährung und Bewegung und sogar Arzneimittel können einen positiven Einfluss auf diesen Prozess haben, und die Verkürzung verlangsamen und in einigen Fällen sogar umkehren.

3.  Epigenetische Veränderungen

Epigenetik ist eine sehr neue Wissenschaft der Genetik, die sich mit Genexpression, also der Aktivität des Gens beschäftigt. Dabei werden Epigenetische Informationen vermittelt, die DNA-Sequenzen verwehren oder freigeben, ohne die DNA selbst zu verändern. Unsere Gesundheit wird also nicht nur von den Genen selbst, sondern auch vom epigenetischen Code bestimmt. Welches Gen aktiviert wird, bestimmen neben Umwelteinflüssen und Essgewohnheiten auch weitere Aspekte der Lebensführung wie chronischer Stress aber auch Medikamente.

4.  Verlust von Proteostase

Gene bilden Proteine wie Enzyme oder Hormone, die im ganzen Körper verwendet werden, um biochemische Reaktionen zu regulieren oder Strukturgewebe wie Haare, Muskeln und Haut zu bilden. Proteine werden zu komplexen Formen gefaltet. Mit zunehmendem Alter werden ihre Formen verzerrt oder kollabieren, was ihre Fähigkeit, richtig zu arbeiten, beeinträchtigt. Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Katarakte sind mit beschädigten Proteinen verbunden.

5.  Gestörte Wahrnehmung von Nährstoffen

Nährstoffe sind überlebenswichtig. Der Körper ist fein darauf abgestimmt, um zu erkennen, wenn Nährstoffe knapp oder reichlich vorhanden sind. Physiologische Mechanismen reagieren auf Angebot und Nachfrage, um sicherzustellen, dass Zellen bekommen, was sie brauchen. Zellschäden können dieses System aus dem Gleichgewicht bringen und mit dem Auftreten von Entzündungen zusammenhängen, die dann das Fortschreiten altersbedingter Krankheiten beeinflussen können.

6.  Mitochondriale Fehlfunktion

Mitochondrien sind Bestandteile einer Zelle und deren Energieproduzent. Sie werden daher auch als die „Kraftwerde der Zelle“ bezeichnet. Freie Radikale, auch reaktive Sauerstoffspezies genannt, sind ein natürliches Nebenprodukt bei der Energiegewinnung in Zellen. Lange wurde angenommen, dass, wenn ihre Produktion zu stark zunimmt, sich die mitochondriale Funktion verschlechtert und so die Zelle schädigt. Seit einigen Jahren aber weiß man, dass freie Radikale eher als Signale wirken, um Mechanismen für das Überleben von Zellen einzuleiten. Ausdauertraining und intermittierendes Fasten sind zwei Verhaltensweisen, die helfen könnten, kranke Mitochondrien wiederzubeleben.

7.  Zelluläre Seneszenz

Zellen teilen sich, um einen Organismus wachsen zu lassen oder um alte Zellen in einem bestimmten Gewebe oder Organ zu ersetzen. Dieser Vorgang ist aber begrenzt, denn die große Mehrheit der Zellen kann sich nicht unendlich oft teilen. Sobald eine Zelle ihr sich teilendes Ende erreicht hat, tritt die seneszente Phase ein. Dies kann ausgelöst werden, wenn sich die Telomere verkürzen, sowie eine Reihe andere Ursachen, wie z.B. Schäden an der DNA. Bestenfalls werden sie von Immunzellen aus dem Körper entfernt. Aber wenn sie bleiben, können sie entzündliche Verbindungen absondern, die zum Altern beitragen.

8.  Erschöpfung der Stammzellen

Zellen replizieren sich und regenerieren sich daher während des gesamten Lebens. Dies ermöglicht den natürlichen Prozess der Reparatur beschädigter Zellen und der Regeneration von Gewebe. Die ultimative Quelle für neue Zellen sind Stammzellen. Aber gesunde Stammzellen können mit zunehmendem Alter abnehmen, und Körpersysteme und Gewebe können infolgedessen verkümmern.

9.  Veränderte intrazelluläre Kommunikation

Da Zellen eine Vernetzung und Kommunikationsfähigkeit aufweisen, stammen einige Veränderungen im Körper von inneren Reizen. Das Altern kann die Kommunikationswege behindern. Wenn Zellen seneszent oder entzündet werden, kann die Signalübertragung beeinträchtigt werden. Hormone wirken möglicherweise nicht so effektiv, und Immunzellen zeigen möglicherweise keine optimale Fähigkeit, mit Krankheitserregern umzugehen. Eine Verschlechterung der Funktion in einem Teil des Körpers kann dann das Risiko eines Zusammenbruchs in anderen Bereichen erhöhen.

Experte

München

Dr. Markus Kemper

Referenzen

Wissenschaftliche Begriffe

Genom

Die gesamte DNA-Sequenz eines Organismus oder Virus. Das Genom ist im Wesentlichen ein riesiger Satz von Anweisungen für die Herstellung der einzelnen Teile einer Zelle und für die Steuerung des gesamten Ablaufs.

Genomik

Die Untersuchung des Genoms, der gesamten DNA eines bestimmten Organismus. Sie umfasst die DNA-Sequenz eines Genoms, die Organisation und Kontrolle der Gene, die Moleküle, die mit der DNA interagieren, und die Art und Weise, wie diese verschiedenen Komponenten das Wachstum und die Funktion von Zellen beeinflussen.

Epigenetik

von altgriechisch ἐπί epi 'dazu, außerdem' und -genetik

Bezieht sich auf Veränderungen der Genexpression einer Zelle, die keine Veränderung des DNA-Codes beinhalten. Stattdessen werden die DNA und die Histone, um die die DNA gewickelt ist, mit entfernbaren chemischen Signalen "markiert" (siehe Demethylierung und Deacetylierung). Epigenetische Markierungen teilen anderen Proteinen mit, wo und wann sie die DNA lesen sollen. Vergleichbar ist dies mit einem Post-it auf einer Buchseite, auf dem "Überspringen" steht. Ein Leser wird die Seite ignorieren, aber das Buch selbst wurde nicht verändert.

Epigenetische Uhr

Eine Art DNA-Uhr, die auf der Messung des natürlichen DNA-Methylierungsniveaus beruht, um das biologische Alter eines Gewebes, eines Zelltyps oder eines Organs zu schätzen, z. B. die Horvath-Uhr.

Mitochondrium

Die Mitochondrien werden oft als das Kraftwerk der Zelle bezeichnet und spalten Nährstoffe auf, um in einem Prozess namens Zellatmung Energie zu erzeugen. Sie enthalten ihr eigenes zirkuläres Genom.

Stammzelle

Stammzellen sind das Rohmaterial des Körpers - Zellen, aus denen alle anderen Zellen mit spezialisierten Funktionen hervorgehen. Unter den richtigen Bedingungen im Körper oder im Labor teilen sich die Stammzellen und bilden weitere Zellen, die sogenannten Tochterzellen.

Seneszens

lat. senescere ‚alt werden‘, ‚altern‘

Der Prozess der Verschlechterung mit dem Alter.

Zelluläre Seneszenz

Der Prozess, der eintritt, wenn normale Zellen aufhören, sich zu teilen, und anfangen, entzündliche Moleküle freizusetzen, manchmal verursacht durch Telomerverkürzung, DNA-Schäden oder epigenomisches Rauschen. Trotz ihres scheinbaren "Zombie"-Zustands bleiben seneszente Zellen lebendig und schädigen benachbarte Zellen mit ihren entzündlichen Sekreten.

Proteostase

Der Begriff der Proteostase umfasst verschiedene miteinander vernetzte Prozesse, die auf zellulärer Ebene die Proteinaktivität kontrollieren.

Zum Glossar